Perioperatives Bridging

Der Begriff Bridging oder Überbrückungstherapie wird in der Medizin in zwei verschiedenen Kontexten verwendet: Zum einen im Zusammenhang mit dem perioperativen Management oraler Antikoagulantien, worum es in diesem Artikel gehen soll. Zum anderen im Zusammenhang mit der Therapie eines akuten Schlaganfalls, siehe hierzu unter Bridging-Therapie.

Sehr viele, vor allem ältere Patienten nehmen regelmäßig zur Thrombose- / Thromboembolieprophylaxe Vitamin-K-Antagonisten wie Phenprocoumon (Marcumar) ein. Häufige Indikationen hierfür sind Vorhofflimmern, stattgehabte tiefe Beinvenenthrombosen oder Lungenembolien sowie mechanischer Herzklappenersatz.

Da diese Medikamente jedoch das Blutungsrisiko stark erhöhen, müssen sie vor operativen Eingriffen mit hohem Blutungsrisiko kurzzeitig abgesetzt und durch andere, besser steuerbare bzw. antagonisierbare Medikamente ersetzt werden. Diese Überbrückungstherapie bezeichnet man als Bridging.

Bridging bei Marcumar-Therapie

Marcumar, das derzeit noch gebräuchlichste Medikament zur oralen Antikoagulation, sollte aufgrund seiner relativ langen Halbwertszeit ca. 7 Tage vor der Operation abgesetzt werden.

Wie das Bridging genau auszusehen hat, ist abhängig vom Blutungsrisiko des operativen Eingriffes sowie vom Thromboembolierisiko des Patienten. Bei Eingriffen mit nur geringem Blutungsrisiko kann in einigen Fällen auch schon eine Reduktion der Marcumardosis mit einer Ziel-INR von 1,8 – 2,0 ausreichend sein (übliche prophylaktische Ziel-INR: 2,0 – 3,0).

Bei Patienten mit geringem Thromboembolierisiko kann unter Umständen eine perioperative Pausierung der Antikoagulation für bis zu 7 Tage toleriert werden.

Bei allen anderen Patienten muss als Bridging eine Antikoagulation mit fraktioniertem (niedermolekularem) oder unfraktioniertem Heparin erfolgen.

In der Regel wird niedermolekulares Heparin verwendet, da es subkutan anwendbar ist (z.B. Enoxaparin 1mg / kg, zweimal täglich s.c.). Bei Kontraindikationen gegen niedermolekulares Heparin (z.B. Niereninsuffizienz mit GFR < 30), kommt unfraktioniertes Heparin zum Einsatz, das jedoch in der Regel intravenös über einen Perfusor appliziert werden muss.

Nach der Operation wird die Marcumar-Therapie innerhalb von 24 Stunden wieder begonnen, die Heparin-Therapie jedoch noch so lange fortgeführt, bis die INR wieder im therapeutischen Bereich liegt.

In einer 2015 im New England Journal of Medicine veröffentlichten Studie [1] wird die Notwendigkeit des Heparin-Bridgings bei Patienten mit Vorhofflimmern und Warfarin-Therapie (in den USA gebräuchlicher Vitamin-K-Antagonist) angezweifelt.

In der 1884 Patienten umfassenden Studie zeigte sich in der Patientengruppe, in der die Antikoagulation ersatzlos abgesetzt wurde kein signifikant höheres Thromboembolierisiko als in der Gruppe mit Überbrückungstherapie. Das Blutungsrisiko war in der Gruppe ohne Bridging niedriger. Dennoch wird das Heparin-Bridging zumindest derzeit noch routinemäßig angewandt.

Bridging bei neuen oralen Antikoagulanzien (NOAKs)

Neue orale Antikoagulanzien (NOAKs) haben im Vergleich zu Marcumar geringere Halbwertszeiten und meist einen schnelleren Wirkungseintritt. Sie müssen daher erst kurze Zeit vor dem Eingriff abgesetzt werden:

Rivaroxaban (Xarelto):

24 – 48 Stunden

Apixaban (Eliquis):

Abhängig vom Blutungsrisiko. 24 Stunden bei niedrigem Risiko, 48 Stunden bei mittlerem bis hohem Risiko.

Dabigatran (Pradaxa):

Abhängig von Blutungsrisiko und Nierenfunktion.

Es gibt bislang keine eindeutigen studienbasierten Erkenntnisse darüber, ob und wann ein Bridging bei NOAKs notwendig ist und wann die verschiedenen NOAKs postoperativ wieder (in voller Dosierung) eingenommen werden sollten. Die diesbezüglichen Entscheidungen beruhen bislang auf individuellen Einzelfallabschätzungen unter Betrachtung des jeweiligen Blutungs- und Thromboserisikos.

Bridging bei Thrombozytenaggregationshemmern

Thrombozytenaggregationshemmer wie ASS oder Clopidogrel erhöhen das perioperative Blutungsrisiko nicht so sehr wie Antikoagulantien. Dennoch kann das perioperative Absetzen der „Plättchenhemmer“ bei Eingriffen mit hohem Blutungsrisiko nötig sein.

Bei stabiler koronarer Herzkrankheit seit mindestens einem Jahr ohne Auftreten eines akuten Koronarsyndroms können diese Medikamente unter Umständen perioperativ ersatzlos ohne Bridging-Therapie abgesetzt werden (7 Tage vor dem Eingriff).

Besteht eine duale Thrombozytenaggregationshemmung mit ASS und Clopidogrel, kann ein perioperatives Bridging mit nur ASS oder mit einem Glykoprotein-IIb/IIIa-Inhibitor wie Abciximab erwogen werden.

Heparin ist kein geeigneter Ersatz für Thrombozytenaggregationshemmer.

Bei nicht dringlichen Operationen ist es sinnvoll, diese zu verschieben bis keine duale Plättchenhemmung mehr nötig ist.


[1] http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1501035